Gehen oder Bleiben? – ein Statement
Wir können viel über den Fachkräftemangel sprechen, nur verstehen wir ihn nicht immer. Daher ist es wichtig, alle Beteiligten einzubeziehen und auch jungen Menschen eine Stimme zu geben. Was bewegt künftige Generationen, ihre Region zu verlassen? Was sollte sich ändern, dass sie bleiben?
Derzeit haben wir einen engagierten, jungen Mann bei uns im Team. Jonas macht gerade sein Schülerpraktikum bei der Förder- und Entwicklungsgesellschaft Vorpommern-Greifswald mbH . Er hat uns einmal seine Sicht der Dinge aufgeschrieben:
Was kommt nach dem Abitur? – Ein Statement von Jonas Rieck
Würde mich jemand fragen, was ich nach dem Abitur mache, wäre meine spontane Antwort „studieren“ oder „wegziehen“, doch ist das auch wirklich sinnvoll?
Ich (16) habe mich noch nie wirklich mit dem Thema auseinandergesetzt, eine Ausbildung zu machen. Doch unter welchen Bedingungen würde es eigentlich dazu kommen, dass ich eher eine Ausbildung als ein Studium antrete?
Zunächst ist die Chance gar nicht so gering, dass man von seinem Ausbildungsbetrieb nach guten Leistungen auch übernommen wird. Wenn man also einen relativ sicheren Arbeitsplatz sucht wäre eine Ausbildung wohl angemessener. Vielleicht ist es auch besser, eine Ausbildung anzutreten, wenn die schulischen Leistungen nicht wirklich überragend sind und man sich einem Studium nicht gewachsen fühlt. Und dank vielen freien Ausbildungsplätzen in der Uecker-Randow Region, kann man sehr wahrscheinlich sogar eine Ausbildung in der Heimat antreten.
Was würde ich mir eigentlich von meinem Chef während der Ausbildung erwarten? Ich erwarte, dass er auf einen Auszubildenden wirklich vorbereitet ist und nicht einfach so eine Ausbildungsstelle ausschreibt. Er sollte eine nicht zu hohe Erwartungshaltung von Anfang an haben, denn niemand kennt die genauen betrieblichen Arbeitsabläufe von jetzt auf gleich. Dennoch sollte er den Auszubildenden nicht zu sehr schonen und ihm auch anspruchsvolle Aufgaben geben, damit er den vollen beruflichen Alltag miterlebt. Er sollte aber auch ein guter Lehrer für die jungen Leute in seinem Betrieb sein und nicht nur Anweisungen geben. Für mich hängt in „Vorpommern-Greifswald bleiben“ und eine Ausbildung machen zusammen. Mache ich das Eine, mache ich auch das Andere.
Aber was spricht eigentlich dafür und was dagegen, in Vorpommern-Greifswald zu bleiben? An erster Stelle steht, dass das hier meine Heimat ist und ich früher oder später sowieso gerne wieder zurückkehren möchte, falls ich einmal wegziehen sollte. Hier ist alles ziemlich ruhig und naturnah. Es gibt ausreichend viele Schulen, Einkaufsmärkte und Sportclubs. Hier ist mir Vieles bekannt und vertraut (Straßen, Menschen, Möglichkeiten). Dazu gibt es viele Betriebe mit freien Ausbildungsstellen und festen Arbeitsplätzen. Deshalb ist die Konkurrenz zwischen den Bewerbern nicht so groß und es ist leichter, hier an einen Arbeitsplatz zu kommen. Das Gleiche gilt auch bei den Wohnungen. Sie sind deutlich billiger und leichter zu bekommen als in den Groß- und Universitätsstädten.
Aber der Landkreis hat auch einige Nachteile. Es gibt nur eine Möglichkeit an einer Universität zu studieren, nämlich in Greifswald. Genau deshalb zieht auch ein Großteil der Freunde weg, meist nach Berlin oder Rostock, um dort zu studieren. Ein weiterer großer Nachteil ist, dass die Orte oftmals sehr weit voneinander entfernt und ohne Auto kaum zu erreichen sind. Durch die sehr schlecht ausgebaute Nahverkehrsverbindung ist man hier sogar nahezu vollständig auf das Auto angewiesen. Aber auch Freizeitmöglichkeiten wie Kino, Theater, Schwimmbad gibt es kaum. Man müsste weit fahren um in eine etwas größere Stadt zu kommen die etwas der Gleichen anbietet.
Um junge Menschen also davon abzuhalten, immer mehr von hier wegzuziehen, sollte man versuchen, Lösungsansätze für die genannten Probleme zu entwickeln und diese dann auch in die Tat umsetzen. Ich würde es begrüßen, wenn die Fahrpreisgestaltung für Schülerinnen und Schüler, Studierende und Azubis, aber auch für Pendler verbessert wird. Dazu sollten Städtefahrten nach Berlin oder Rostock einfacher gemacht und die Angebote deutlich verbessert werden. Des Weiteren sollte man vermehrt auf Duale Studien setzen. Die örtlichen Betriebe haben einen Vorteil darin, dass sie nach dem Studium einen fertigen Akademiker in ihren Reihen haben. Für den Studenten ist es ein Vorteil, denn er hat einen sicheren Arbeitsplatz und kann, wenn er den Betrieb wieder verlassen sollte, trotzdem eine fertige akademische Ausbildung vorweisen. Und für den Landkreis ist das ebenso ein Vorteil, denn er kann so viele gut ausgebildete Fachkräfte im Kreis halten, die sich betrieblich und privat an Vorpommern-Greifswald gebunden haben. Als andere Alternative zum Dualen Studium könnten die Universitäten aus Mecklenburg-Vorpommern eine Zusammenarbeit mit der Universität in Stettin anstreben. So könnte man im Austausch an der polnischen Universität bestimmte Studiengänge auf Deutsch anbieten, die von Dozenten der jeweiligen Universitäten abgehalten werden. Aber auch andersherum wäre es eine gute Idee, denn viele Polinnen und Polen, die nach Deutschland gekommen sind um hier zu leben, hätten mit Studiengängen in polnischer Sprache an den deutschen Unis eine gute Möglichkeit um ohne sprachliche Probleme eine akademische Ausbildung in Deutschland abzuschließen.
Jonas Rieck
28.06.2018, Pasewalk